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Liebe am Arbeitsplatz: Was erlaubt ist – und was zur Kündigung führen kann
Aug 1, 2025
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Beim Coldplay-Konzert in Boston sorgte Mitte Juli die „Kiss-Cam“ für mehr als nur romantische Momente: Sie filmte ein sich abwendendes Paar – und enttarnte dabei ungewollt die Affäre eines CEO mit seiner HR-Chefin. Was im Stadion für Raunen sorgte, hatte auch arbeitsrechtlich Brisanz: In den USA können Liebesbeziehungen zwischen Mitarbeitenden zur fristlosen Kündigung führen – besonders dann, wenn ein Machtgefälle besteht oder Compliance-Regeln verletzt werden.

Beziehung zu Kolleg:innen: Ist das in Österreich erlaubt?

Ein allgemeines Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz gibt es in Österreich nicht. Grund dafür ist, dass eine solche Regelung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des § 16 ABGB darstellen würde. Eine weitere Schranke für das Verbot intimer Beziehungen am Arbeitsplatz ist die Sittenwidrigkeit nach §879 ABGB. Sittenwidrig wäre laut Stimmen in der Literatur wohl auch ein „Flirt-Verbot“. Ebenso stellt eine Beziehung im beruflichen Umfeld für sich allein keinen Kündigungsgrund im Sinne des Angestelltengesetzes dar (dazu später mehr).

In manchen Kollektivverträgen – etwa jenem für Angestellte der Sparkassen – finden sich Ausschlussklauseln für Ehegatt:innen von Organmitgliedern oder Mitarbeitenden. Ziel ist dabei nicht, bestehende Beziehungen zu verbieten, sondern neue innerhalb des Unternehmens möglichst zu vermeiden. Fraglich und streng zu prüfen bleibt, ob bei einer diesbezüglichen Falschangabe bereits ein Entlassungsgrund wegen Vertrauensunwürdigkeit vorliegt (auch dazu mehr im weiteren Verlauf).

Liebesverbote im Job: Was Unternehmen in den USA und Deutschland anders regeln

In den USA hingegen gibt es Unternehmen, die derartige Beziehungen verbieten und dies rechtlich auch dürfen. Vertragsklauseln wie Liebes- und Flirtverbote sind nicht unüblich. Aufsehenerregte unter anderem ein solcher „Code of Conduct“, den der Konzern Wal-Mart nicht nur (zulässigerweise) in seinen US-amerikanischen Niederlassungen etabliert hatte, sondern dies auch in seinen deutschen Betrieben tun wollte.

Darin wurde ein allgemeines Flirtverbot auf der Arbeit normiert. Und noch viel mehr: Flirten auf der Arbeit und Beziehungen zu Mitarbeitenden würden gar einen Kündigungsgrund darstellen. Mag dies in den USA rechtlich gestattet sein, so galt dies keineswegs in Deutschland: Der Wertekatalog wurde vor einem deutschen Arbeitsgericht unmissverständlich als unwirksam aufgrund eines Verstoßes gegen die Menschenwürde (Art 1 und 2 dGG)kategorisiert. Dieses Urteil, das bereits im Jahre 2005 erging, hat auf Basis des Persönlichkeitsrechtes nach § 16 ABGB auch Signalwirkung für das österreichische Recht.

Kündigung wegen Beziehung am Arbeitsplatz: Wann droht arbeitsrechtlicher Ärger?

Selbst wenn es hierzulande ein derartiges Verbot nicht geben darf, hat dies keineswegs zur Folge, dass die Liebe im Arbeitsumfeld grenzenlos ausgeübt werden kann. Grundsätzlich kann bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen eine Kündigung im Einklang mit dem jeweiligen Kündigungstermin und der jeweiligen Kündigungsfrist (sofern nicht sittenwidrig oder diskriminierend) grundlos erfolgen. Doch auch eine (sofortige) Entlassung durch den/die AG ist untergewissen Umständen möglich. So wird die Entlassung im Zusammenhang mit einer Beziehung am Arbeitsplatz üblicherweise auf Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 3.Fall AngG) gestützt.

Für diesen Tatbestand ist nicht erforderlich, dass die Entlassungshandlung einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis hat, sondern generelle Vertrauensunwürdigkeit vorliegt. Ist eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz gegeben, hat die Rechtsprechung konkretisiert, was zusätzlich vorliegen muss, um rechtskonform entlassen zu können. Erforderlich ist ein sittenwidriges Element der Liebesbeziehung.

Darunter fallen bspw ein vom/von der Partner:in aufgrund der Beziehung nicht gemeldeter Diebstahl, die Erlangung von Unterlagendurch den/die Partner:in, unangemessene Äußerungen, Arbeitszeitüberschreitung(en), allgemeine Bevorzugung des Partners/der Partnerin und wohl auch Geschlechtsverkehr während der Arbeitszeit.

Eine Liebesbeziehung allein ist noch keine Pflichtverletzung. Erst wenn betriebliche Interessen konkret gefährdet sind, kann sie arbeitsrechtlich relevant werden.. Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang  mit dem Arbeitsverhältnis besteht und die Handlung geeignet ist, das dienstliche Vertrauen der/des AG zu beeinflussen.

Sexuelle Beziehungen während der Arbeitszeit: Pflichtverletzung oder Privatsache?

Des Weiteren trifft Arbeitnehmer:innen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses neben der Hauptpflicht (Erbringung der Dienstleistung) auch die Nebenpflicht der Treuepflicht, welche anordnet, die Arbeitgeber:inneninteressen angemessen zu schützen und gewisses Verhalten zu unterlassen. Ein Verstoß dagegen wäre beispielsweise sexueller Kontakt während der Arbeitszeit .

In einem solchen Fall kann eine Mahnung zur Einhaltung der Treuepflicht ausgesprochen werden. Verstöße gegen derartige Mahnungen wiederum können unter Umständen zur Entlassung berechtigen. Eine derartige Mahnung kann jedoch nicht ausgesprochen werden, wenn damit die gänzliche Unterbindung einer Liebesbeziehung verlangt wird – dies wäre wiederum ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.  

Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen: Wenn Liebe das Betriebsklima stört

Eine ähnliche Nebenpflicht besteht auch für Arbeitgeber:innen: die Fürsorgepflicht. Im Rahmen dieser hat der/die Arbeitgeber:in dafür zu sorgen, dass das Betriebsklima nicht durch eine/einen Mitarbeiter:in oder mehrere Mitarbeitende gröblich beeinträchtigt wird.

Schlägt sich die Liebesbeziehung alsonegativ auf das Betriebsklima aus, kann abgesehen von einer Kündigung, schlimmstenfalls einer Entlassung, auch eine Versetzung ausgesprochen werden, für die allerdings weitere Voraussetzungen (arbeitsvertragliche Deckung, ansonsten Zustimmung der/des Betroffenen etc) erforderlich sind. Eine schlichte „Umsetzung“ an einen anderen Arbeitsplatz im selben Gebäude stellt allerdings keine Versetzung dar und könnte eine effektive Maßnahme sein.

Liebesbeziehungen mit Machtgefälle: Spielt die Hierarchie eine Rolle?

Ob CEO mit HR-Leiterin oder zwischen Sachberarbeiter:innen: ob es von Bedeutung ist, wenn die Liebenden auf dergleichen Hierarchieebene beschäftigt sind oder nicht, wird vom Obersten Gerichtshof nicht beantwortet, jedoch in der Literatur tendenziell verneint. Dies ist auch einleuchtend: Wenn derartige Angelegenheiten von der Rechtsordnung grundsätzlich der höchstpersönlichen Entscheidungsgewalt einer Person überlassen werden, soll dies wohl umso mehr auch für die Ausgestaltung dieser Angelegenheiten gelten. Dennoch kann ein Hierarchiegefälle natürlich die oben näher beschriebenen Elemente der Sittenwidrigkeit begünstigten. So wird es für eine Geschäftsführerin einfacher sein, einen Mitarbeiter, mit dem sie eine Liebesbeziehung führt, bei rechtswidrigem Verhalten zu decken, als für eine Mitarbeiterin auf gleicher Hierarchieebene.

Müssen Liebesbeziehungen im Job gemeldet werden?

Eine allgemeine Meldepflicht von Liebesbeziehungen zu Mitarbeitenden gibt es nicht. Eine solche stellt zwar grundsätzlich auch einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wird allerdings insbesondere dann nicht rechtswidrig sein, wenn eine der involvierten Personen eine Kontrollfunktion ausübt und durch die Beziehung das 4-Augen-Prinzip unterlaufen werden könnte. Erlaubt kann auch die Pflicht zur Mitteilung sein, wenn der/die Ehepartner:in/Lebenspartner:in bei einem Konkurrenzunternehmen des/der eigenen AG in einer verantwortungsvollen Position tätig ist.

Diesfalls würde das Abwiegen von höchstpersönlichem Persönlichkeitsrecht und Interessen der/des AG zugunsten letzterer/letzterem ausfallen, handelt es sich schließlich um kein Verbot, sondern lediglich eine Meldepflicht. Diese kann in Kollektiv- oder Arbeitsvertrag geregelt werden, jedoch nur, wenn sie nicht indirekt ein unzulässiges Flirt- oder Liebesverbot zur Folge hat.

Was dürfen Unternehmen intern regeln? Und was nicht?

Klar ist: Ein generelles Verbot von Liebesbeziehungen oder Flirts lässt sich arbeitsrechtlich kaum begründen. Denkbar und rechtlich zulässig ist jedoch eine gezielte Meldepflicht – etwa bei Beziehungen mit Hierarchiegefälle oder in sensiblen Kontrollfunktionen. Ob eine interne Regelung zulässig ist, hängt stets von der konkreten Ausgestaltung und einer fairen Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Unternehmensinteresse ab.

Fazit: Liebe regeln? Nein. Folgen regeln? Unbedingt.

Liebe lässt sich nicht regeln – sehr wohl aber ihre Auswirkungen im Arbeitsverhältnis. Unternehmen sind gut beraten, sensible, rechtlich tragfähige Guidelines zu etablieren – ohne in Persönlichkeitsrechte einzugreifen. Denn zwischen Kaffee-Küche und Konferenzraum gilt: Was das Herz will, kann arbeitsrechtlich heikel werden.

Sie haben Fragen zur arbeitsrechtlichen Gestaltung von internen Richtlinien oder zu konkreten Fällen im Betrieb? Wir beraten Sie gerne vertraulich und praxisnah.