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Das Ende der Schutzmaßnahmen, der Anfang der Begleitmaßnahmen – welche Auswirkungen hat dies auf den Arbeitsplatz?
Dr Katharina Körber-Risak
Mar 15, 2022
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Mit 5. März 2022 sind – trotz weiterhin steigender Infektionszahlen – beinahe alle Coronaschutzmaßnahmen gefallen. Die zuletzt geltende 4. COVID-19-Maßnahmenverordnung wurde durch die COVID-19-Basismaßnahmenverordnung (COVID-19-BMV) ersetzt. Diese enthält kaum mehr Regelungen für den Ort der beruflichen Tätigkeit – ein 3G Nachweis muss beispielsweise nur mehr in bestimmten Bereichen (wie Krankenanstalten oder Alten- und Pflegeheimen) erbracht werden – eine generelle 3G-Nachweispflicht für Arbeitnehmer:innen ist jedoch (vorerst) ausgelaufen. Zutrittsbeschränkungen im Sinne einer 3/2,5 oder sogar 2G-Regelung, Maskenpflicht oder sonstige geeignete Schutzmaßnahmen sind demnach wieder der Disposition der Arbeitgeber:innen überlassen. 


Arbeitsrechtlich führt dies weitgehend zurück zur Situation vor Einführung der 3G-Pflicht. Es muss daher auf allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze, insbesondere die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin sowie die korrespondierende Treuepflicht der Arbeitnehmer:innen, Bezug genommen werden. Weiterhin eine große Rolle spielen umfassende Interessenabwägungen, die – je nach Einzelfall – zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Dies macht eine Verallgemeinerung der derzeitigen arbeitsrechtlichen Möglichkeiten – wie bereits bisher – schwierig. Datenschutzrechtlich kommt es durch den Wegfall des Aufbewahrungsverbots gemäß dem COVID-19-Maßnahmengesetz aus unserer Sicht jedoch zu in der Praxis durchaus erfreulichen Erleichterungen: 


Die Beibehaltung der Maßnahmen (zB 3G-Pflicht) am Arbeitsplatz:

Der Wegfall der Maßnahmen bedeutet nicht, dass auch das weiter hohe und derzeit sogar steigende pandemiebedingte Risiko von Ansteckungen innerhalb der Belegschaft beseitigt wurde. Im Gegenteil ist das Risiko von Ausfällen ganzer Abteilungen und einer Vielzahl von Krankenständen höher als je zuvor. Dies gefährdet nicht nur die betrieblichen Interessen der Arbeitgeber:innen. Auch einer erhöhte Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer:innen durch ein hohes Ansteckungsrisiko müssen Arbeitgeber:innen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht selbstverständlich aktiv entgegenwirken und Maßnahmen treffen, die diese Gefahr vermeiden (insb etwa in Betrieben, in denen Mitarbeiter:innen eng zusammenarbeiten). 


In der – rechtlich nicht bindenden – Begründung zur COVID-19-BMV heißt es hierzu: „Soweit für Arbeitsorte im Hinblick auf das Tragen einer Maske und die Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr keine Regelungen mehr vorgesehen sind, können – wie auch bisher – in begründeten Fällen über diese Verordnung hinausgehende, strengere Regelungen vorgesehen werden.“ Dies ist wohl lediglich als informativer Hinweis auf die ohnedies bestehenden rechtlichen Verpflichtungen der Arbeitgeber:innen, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter wo notwendig durch entsprechende Vorkehrungen zu schützen, zu verstehen. 


Arbeitgeber:innen können und müssen daher im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auch weiterhin strengere Maßnahmen – unter anderem also auch 3G-Pflicht oder Maskenpflicht – am Arbeitsplatz vorsehen. Da nun jedoch die gesetzliche Grundlage für strengere Maßnahmen (insb einer 3G-Pflicht) fehlt, besteht für den Fall, dass Arbeitnehmer:innen sich weigern, die Maßnahmen einzuhalten und ihre Arbeit deshalb nicht verrichten können, grundsätzlich Entgeltfortzahlungspflicht. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn Arbeitnehmer:innen eine Obliegenheit (zB basierend auf Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung) trifft, die von der Arbeitgeberin gesetzten Maßnahmen einzuhalten. Diesfalls wäre das Nichtzustandekommen der Arbeitsleistung der Sphäre der Arbeitnehmer:innen zuzurechnen und die Arbeitgeberin müsste auch kein Entgelt bezahlen.


Kostentragung für möglicherweise kostenpflichtige Tests:

Sollten die kostenlosen Tests – wie bereits angekündigt – auslaufen, verlangt die Arbeitgeberin jedoch weiterhin regelmäßige Tests, muss sie grundsätzlich auch für die den Arbeitnehmer:innen entstehenden Kosten aufkommen. 


Maskenpflicht am Arbeitsplatz: 

Neben Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenanstalten besteht gemäß der COVID-19-BMV grundsätzlich nur mehr an Orten des täglichen Lebensbedarfs bzw an solchen Orte, die auch von vulnerablen Gruppen besucht werden, eine FFP2-Maskenpflicht (zB Apotheken, Supermärkte und Drogerien). Diese Verpflichtung gilt gem § 3 Abs 4 leg cit auch für Mitarbeiter:innen mit unmittelbarem Kunden- oder Parteienkontakt, sofern das Infektionsrisiko nicht durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen minimiert werden kann (insb durch technische Schutzmaßnahmen wie Trennwände oder Plexiglaswände). 


Für geschlossene Räume von sonstigen Betriebsstätten enthält § 3 Abs 5 COVID-19-BMV eine bloße Empfehlung, eine Maske zu tragen. 


Ordnet die Arbeitgeberin eine über die Regelungen der COVID-19-BMV hinausgehende Maskenpflicht an (siehe obige Ausführungen), so gilt zu beachten, dass diese gem § 2 Abs 3 des Generalkollektivvertrages grundsätzlich nicht gilt, wenn Arbeitnehmer:innen freiwillig einen 3G-Nachweis vorweisen. Dieser Generalkollektivvertrag ist vorerst bis 30. April 2022 gültig. 


Kündigung des Arbeitsverhältnisses: 

Grundsätzlich (weiterhin) möglich ist, ungeimpfte Arbeitnehmer:innen oder jene, die sich weigern, strengere Maßnahmen einzuhalten, zu kündigen. Hierfür bedarf es keiner Angabe von Gründen. Die Verweigerung der Impfung ist keine schützenswerte Weltanschauung (OGH 24.02.2009, 9 Ob A 122/07t). Im Falle einer Anfechtung kann eine Kündigung aus unserer Sicht (zumindest) durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt werden. Höchstgerichtliche Rechtsprechung in entsprechenden Fällen gibt es bisher jedoch nicht. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Klarstellung können juristisch in solchen Konfliktfällen nur umfassende Interessenabwägungen das Problem lösen, die oftmals nur aufgrund kleiner Details zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.


Datenschutzrechtliche Aspekte: 

Die Datenschutzbehörde hält in ihrer Stellungnahme (Stand: 29. Oktober 2021!) explizit fest, dass Arbeitgeber:innen sowohl im privaten, als auch im öffentlichen Bereich eine Fürsorgepflicht trifft und sie dafür Sorge tragen müssen, dass Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz ausgeschlossen werden. Auch die Prävention von Infektionen und die Eindämmung einer Virusverbreitung am Arbeitsplatz zählen zum Ausschluss von Gesundheitsrisiken. Vor diesem Hintergrund kann die Erhebung des Gesundheitszustands durch Arbeitgeber:innen insbesondere auf die Erfüllung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht in Verbindung mit Art 9 Abs 2 lit b DSGVO gestützt werden. Überdies kann eine Verarbeitung der Gesundheitsdaten grundsätzlich auch durch Einwilligung der Arbeitnehmer:innen erfolgen (vgl Art 9 Abs 2 lit a DSGVO). Die Datenschutzbehörde sieht aufgrund des typischen Abhängigkeitsverhältnisses der Arbeitnehmer:innen eine tatsächlich freiwillige Einwilligung lediglich im Zusammenhang mit der gezielten Befragung nach dem Impfstatus kritisch. 


Durch den Entfall der Regelung des Ortes der beruflichen Tätigkeit ist dieser auch nicht mehr vom Aufbewahrungsverbot des § 1 Abs 5d COVID-19-Maßnahmengesetz umfasst. Die Speicherung der Nachweisdaten mit Einwilligung der Arbeitnehmer:innen ist daher uE grundsätzlich denkbar, da ihr kein gesetzliches Verbot iSd Art 9 Abs 2 lit a DSGVO mehr entgegensteht. Selbstverständlich muss eine Datenverarbeitung immer unter Einhaltung der Datenverarbeitungsgrundsätze iSd Art 5 Abs 1 DSGVO erfolgen.


Entfall der Impfpflicht: 

Viel Lärm gab es auch rund um das Inkrafttreten des Impfpflichtgesetzes. Bereits am 9. März 2022 wurde eben jene Impfpflicht – noch bevor Verstöße überhaupt erst sanktioniert werden konnten – auf Basis eines Berichts der Impfpflichtkommission aber ausgesetzt. Ein weiterer Bericht und eine neue Entscheidung über die Verlängerung der Aussetzung oder der Wiedereinsetzung der Impfpflicht sollen in drei Monaten folgen. 


Da das Impfpflichtgesetz per se keine Verpflichtungen für die Arbeitgeberin oder den Arbeitsplatz vorsah, hat die Aussetzung keine direkten arbeitsrechtlichen Auswirkungen. Gleichzeitig kann das Impfpflichtgesetz aber vorerst auch nicht mehr als subsidiäre Stütze für gewisse Maßnahmen oder Entscheidungen der Arbeitgeberin herangezogen werden (zB in Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungsgründe; siehe hierzu Impfpflicht – Auswirkungen auf den Arbeitsplatz? | Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH (koerber-risak.at)). 


Im Zuge der Erlassung der COVID-19-Basismaßnahme-VO wurde in deren rechtlicher Begründung klargestellt, „dass es bei einer Verschlechterung der epidemiologischen Lage erneut zu einer raschen Änderung der Rechtslage kommen kann“. Vergangenen Donnerstag, 10. März 2022, hat die Corona-Ampel-Kommission bereits wieder die „Umsetzung geeigneter Präventionsmaßnahmen“ empfohlen. Es bleibt daher abzuwarten, wie lange die derzeit geltende Verordnung tatsächlich in Kraft ist. 


Sollten sie weitere Fragen haben, berät Sie unser Team selbstverständlich gerne!