In Zeiten zunehmender und großflächiger Unwetterereignisse gewinnt die Frage nach ihrer Auswirkung auf die Arbeitswelt und deren rechtliche Implikationen zunehmend an Bedeutung. Die Verbindung zwischen der Jahrhundertflut, wie sie derzeit vor allem in Niederösterreich und Wien stattfindet, ist im Arbeitsrecht ebenfalls eine Neuigkeit. Die wichtigsten Fragen sollen anhand der aktuellen Rechtslage im Nachfolgenden beantwortet werden:
Wer aufgrund von Naturereignissen wie heftigen Unwettern, Überflutungen und Murenabgängen nicht oder nicht pünktlich zur Arbeit kommen kann, setzt damit keinen Kündigungs- oder Entlassungsgrund. Es handelt sich um einen Verhinderungsgrund, der das Fernbleiben rechtfertigt. Ob im konkreten Fall alles „Zumutbare“ unternommen wurde, um zur Arbeit zu kommen, hängt immer von der konkreten Situation ab und ist eine Einzelfallbeurteilung.
Wenn der Wetterbericht am Vorabend starken Schneefall oder Regenfälle vorhersagt, muss der Arbeitnehmer früher als sonst von zu Hause losfahren, ist ein Wetterchaos abzusehen, dann sollte versucht werden, auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen.
Jedenfalls müssen sich Arbeitnehmer:innen nicht selbst gefährden und sollen auch nicht andere Menschen gefährden. Wenn also öffentliche Informationen oder gar Zivilschutzwarnungen vorliegen, die vom Arbeitsweg abraten (aus Eigen- und/oder Fremdschutz), sollte der Arbeitsweg nicht angetreten werden. Dies wäre jedenfalls auch arbeitsrechtlich ein Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben vom Dienst.
Sollte es eine Home-Office-Rahmenvereinbarung geben, wäre dies ein guter Anlass mit dem Arbeitgeber Home-Office zu vereinbaren. Ein einseitiges Recht auf Home-Office besteht nicht, vernünftige Arbeitgeber werden sich aber in solchen Situationen nicht querstellen.
Die gesetzliche Entgeltfortzahlung für solche Ereignisse wird nach allgemeinen „Gefahrtragungsregeln“ im § 1155 ABGB beurteilt. Diese Bestimmung regelt die Entgeltfortzahlungspflicht für Fälle, in denen nicht bereits aufgrund von spezielleren Regelungen (wie zB Urlaub oder Krankenstand) die Voraussetzungen einer Entgeltfortzahlung geregelt sind. § 1155 ABGB sieht vor, dass der Entgeltanspruch bei Verhinderung des Arbeitnehmers bzw der Arbeitnehmerin dann aufrecht bleibt, wenn die Arbeitsleistung aus Gründen unterbleibt, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen und der Arbeitnehmer trotz Leistungsbereitschaft nicht eingesetzt wird.
Bei Fällen „höherer Gewalt“, darunter fallen auch Naturkatastrophen und andere Elementarereignisse, ist grundsätzlich keine Zuordnung zur Sphäre des Arbeitgebers gegeben. Damit gibt es für den Fall, dass die Arbeitnehmerin durch das Hochwasser an der Arbeitsleistung gehindert wird, zwar einen Entschuldigungsgrund, aber keinen Entgeltanspruch.
Nach der Rechtsprechung muss der Arbeitgeber aber dann bei Naturereignissen das Entgelt weiterleisten, wenn das eingetretene Risiko für die Branche bzw den konkreten Betrieb typisch war, zB wenn der Betrieb mitten in einem Hochwassergebiet oder in einem „Schneeloch“ angesiedelt ist.
Handelt es sich um ein Elementarereignis, das eine große Zahl von Arbeitnehmern von einem umfassenden (also nicht lokalbegrenzten) Ereignis betrifft, also Umweltkatastrophen, die alle oderüberwiegende Teile eines Bundeslandes (oder mehrerer Bundesländer) betreffen, entfällt grundsätzlich die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.
Arbeitnehmer:innen müssen in dem Fall alles Zumutbare tun, eine andere Kinderbetreuung zu ermöglichen. Wenn das objektiv nicht möglich ist, wird ein kurzfristiger wichtiger Dienstverhinderungsgrund (§ 8 Abs3 AngG) vorliegen, der einen Entgeltfortzahlungsanspruch bewirkt.
Wenn unmittelbare Gefahr für Besitz und Eigentum der Arbeitnehmerin besteht, ist dies ebenfalls als wichtiger Dienstverhinderungsgrund anzusehen, der für kurze Zeit einen Entgeltfortzahlungsanspruch auslöst.
Seit 1. September 2019 gibt es speziell für Mitglieder einer Katastrophenhilfsorganisation, eines Rettungsdienstes oder einer Freiwilligen Feuerwehr bei einem Großschadenereignis einen besonderen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 8 Abs 3a AngG).
Eine formelle Voraussetzung gilt es jedoch zu beachten: Das Ausmaß und die Lage der Dienstfreistellung ist mit demA rbeitgeber vereinbart worden. Ohne eine solche Vereinbarung besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch, selbst wenn die objektiven Merkmale des § 8 Abs 3aAngG erfüllt sind.
Als Ausgleich für ihren Aufwand können Arbeitgeber aus dem Katastrophenfond für die gewährte Entgeltfortzahlung unterbestimmten Voraussetzungen Leistungen erhalten.
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