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Beweisverwertungs-verbote im Arbeitsrecht
May 24, 2023
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Der/Die Arbeitgeber:in zeichnet Gespräche der Mitarbeitenden auf, nimmt Einblick in deren privaten E-Mail-Verkehr und verwendet diese Informationen dann im Prozess gegen sie. Darf das Gericht solche, rechtswidrig erlangten Beweismittel berücksichtigen?

Auf den ersten Blick möchte man vielleicht annehmen, dass die gerichtliche Verwertung solcher Beweise unzulässig sein sollte, wo doch die Ermittlung dieser Beweise rechtswidrig war. Hiermit würde man aber in Kauf nehmen, dass das Gericht seiner Entscheidung dann bewusst einen unter Umständen der Wahrheit widersprechenden Sachverhalt zugrunde legen muss. Das Gericht wäre verpflichtet, gesehene Beweise zu vergessen oder solche von vornherein nicht zu beachten, um sodann ein der Wahrheit widersprechendes Urteil zu fällen. Da aber die Findung der materiellen Wahrheit primärer Zweck eines Zivilprozesses ist,[1]kann ein Beweisverwertungsverbot (wenn überhaupt) nur in engen Grenzen für zulässig erachtet werden.

Was hält dann Personen von einer rechtswidrigen Beweisaufnahme ab?

Wenn zum Beispiel durch die Aufnahme von Bildern gegen das Datenschutzgesetz verstoßen wird (§ 12 DSG), sieht dieses selbst Haftungsfolgen und Sanktionen vor. So kann eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde eingereicht werden (§ 24 DSG). Neben dieser öffentlich-rechtlichen Sanktion kann bei Verschulden auch Schadenersatz vom Schädiger begehrt werden (§ 29 DSG).

Auch wenn der/die Arbeitnehmer:in beispielsweise einen Laptop vom Unternehmen stiehlt, um Beweise für einen folgenden Prozess zu erlangen, ist die primäre Sanktion (Freiheits- oder Geldstrafe) gegen diesen Diebstahl im Strafgesetzbuch normiert (§ 127 StGB) und allenfalls im Datenschutzgesetz. Demnach ist nach Ansicht vieler zur General- und Spezialprävention die jeweilige Verbotsnorm berufen, und nicht das Prozessrecht auf Umwegen. Wird eine normierte Sanktion als zu mild beurteilt, ist die Bestrafung nicht durch ein Beweisverwertungsverbot, welches sodann der Zwecksetzung des Verfahrensrechtswidersprechen würde, zu verschärfen. Für eine ausreichende Abschreckungswirkung hat der Gesetzgeber in Form der direkten Sanktion in der Verbotsnorm Sorge zutragen. [2]

Rechtsprechung zum Beweisverwertungsverbot

Die Rechtsprechung erlaubt die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels jedenfalls dann, wenn dadurch ein versuchter Prozessbetrug durch die gegnerische Partei verhindert werden kann. Somit wird im Fall einer solchen „prozessualen Notwehr“ zugunsten der Wahrheitsfindung ein Beweisverwertungsverbot verneint. Der OGH hat auch Transkripte von rechtswidrig erlangten Tonbandaufnahmen für verwertbar erklärt.[3] In anderen Fällen war der OGH der Ansicht, eine Interessenabwägung sollte über die Verwertbarkeit eines Beweismittels entscheiden.

Die erforderliche Interessenabwägung wurde jedoch nur am Rande erwähnt und war für die Sachentscheidungen selbst nicht ausschlaggebend (sog Obiter Dictum).[4] Die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen (DSGVO) führt nach jüngster Rechtsprechung auch nicht zu einem generellen Beweisverwertungsverbot.[5] Ob nun auch im Allgemeinen der Wahrheitsfindung Vorrang vor einem Beweisverwertungsverbot eingeräumt wird, hat der OGH noch nicht abschließend beurteilt, wenngleich (aus guten Gründen) eine Zurückhaltung in Bezug auf Beweisverwertungsverbote zuerkennen ist.

Rechtfertigen die Besonderheiten des Arbeitsrechts ein Beweisverwertungssverbot?

Kann ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften für eine Andersbehandlung und damit für ein Beweisverwertungssverbot sprechen? Das Gesetz sieht für das Beweisverwertungssverbot im arbeitsrechtlichen Prozess keine besonderen Regelungen vor. Auch die Rechtsprechung zieht zur Beurteilung die allgemeinen zivilprozessualen Regeln heran.[6]

Dies ist auch zu befürworten, da eine Andersbehandlung schwer zu begründen ist. So kann man arbeitsrechtlichen Bestimmungen wohl kaum eine stärkere Wirkung im Vergleich zu beispielsweise strafrechtlichen Normen zubilligen. Wir können schlecht von einem Beweisverwertungsverbot aufgrund eines Verstoßes gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ausgehen, wenn ein solches nicht einmal bei strafrechtlichen Verstößen gelten soll. Ist doch den Bestimmungen im Strafgesetzbuch das größte Unwerturteil über menschliches Verhalten inhärent. Auch die wechselseitigen Treue- und Fürsorgepflichten im Arbeitsverhältnis wirken nicht auf das Prozessrecht ein. Wie bereits erwähnt, ist ein derartiger Verstoß durch die spezifischen (hier: arbeitsrechtlichen) Normen zu verhindern, und eben nicht durch einen Bruch in der materiellen Wahrheitsfindung.[7]

Obwohl eine höchstgerichtliche Leitentscheidung zur allgemeinen (Un-)Zulässigkeit von Beweisverwertungen bislang nicht vorliegt,  lässt sich bereits aus der bestehenden Rechtsprechung eine Zurückhaltung hinsichtlich strenger Beweisverwertungsverbote ableiten. Vielmehr sollen Verstöße grundsätzlich durch die jeweils einschlägigen Rechtsnormen und nicht im Rahmen eines Zivilprozesses bzw der zivilprozessrechtlichen Normen geahndet werden. Auch rechtswidrig erlangte Beweismittel können somit im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich verwertet werden.  


[1] Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 Vor § 1ZPO Rz 1.

[2] Klicka, Beweis(verwertungs)verbote im Arbeitsrecht?, ZAS2020/4 (21).

[3] RIS-Justiz RS0123178.

[4] Klicka, Beweis(verwertungs)verbote im Arbeitsrecht?, ZAS2020/4 (22).

[5] OGH 24.08.2022, 7 Ob 121/22b.

[6] OGH 23.05.2019, OGH 6 ObA 1/18t.

[7] Klicka, Beweis(verwertungs)verbote im Arbeitsrecht?, ZAS2020/4 (21f).