Zwischen klassischer Selbstständigkeit und dem echten Arbeitsverhältnis existiert im österreichischen Arbeitsrecht ein „Zwischenbereich“ – die sogenannte arbeitnehmerähnliche Person.
Obwohl diese formal selbstständig tätig ist, hängt ihre wirtschaftliche Existenz oft maßgeblich von einemeinzigen oder wenigen Auftraggeber:innen ab. Aufgrund dieser besonderen Abhängigkeit sieht die österreichische Rechtsordnung vor, bestimmte arbeitsrechtliche Schutzvorschriften auch auf diese Gruppe von Beschäftigten anzuwenden.
Insbesondere für Auftraggeber:innen ist es daher essenziell, diese rechtliche Sonderform zu kennen und den rechtlichen Status arbeitnehmerähnlicher Personen zu verstehen –nicht zuletzt, um rechtliche Streitigkeiten oder teure Fehlqualifikationen zu vermeiden.
Arbeitnehmerähnliche Personen stehen in keinem klassischen Arbeitsverhältnis, weisen jedoch Merkmale auf, die sie in ihrer wirtschaftlichen Realität Arbeitnehmer:innen ähnlich machen.
Häufig bestehen Vertragsverhältnisse auf Basis eines freien Dienstvertrages oder eines Werkvertrages, wobei die Tätigkeit trotz formaler Selbstständigkeit in eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit mündet.
Diese „Mittelstellung“ bringt sowohl rechtliche Herausforderungen als auch – vom Gesetz vorgesehene – Schutzmechanismen mit sich.
Arbeitnehmerähnliche Personen werden mittels jeweils gleichlautender Legaldefinitionen in den Anwendungsbereich bestimmter arbeitsrechtlicher Gesetze einbezogen. Ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis liegt entsprechend diesen Legaldefinitionen bei Personen vor, die
als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. In der Rechtsprechung haben sich zur wirtschaftlichen Unselbständigkeit eine Reihe an Merkmalen etabliert. Das sind
Wichtig: Es müssen nicht alle Merkmale kumulativ vorliegen. Ausschlaggebend ist das Gesamtbild des Einzelfalls.
Nach österreichischem Arbeitsvertragsrecht ist jemand dann als Arbeitnehmer:in zu qualifizieren, wenn ein Arbeitsvertrag vorliegt, durchwelchen sich der/die Arbeitnehmer:in dauerhaft zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet und im Gegenzug dafür ein Entgelt erhält. Der wesentliche Unterschied liegt in der persönlichen Abhängigkeit – dem zentralen Merkmal eines Arbeitsverhältnisses.
Dies zeigt sich typischerweise durch:
Wichtig: Auch hier müssen nicht alle Kriterien kumulativ erfüllt sein. Entscheidend ist, ob das Gesamtbild der Tätigkeit auf ein Überwiegen dieser Elemente schließen lässt oder einzelne Merkmale besonders stark ausgeprägt sind.
Arbeitnehmerähnliche Personen erfüllen nicht selten einige dieser Merkmale, jedoch nicht in der Gesamtheit, die für ein klassisches Arbeitsverhältnis erforderlich wäre.
Sowohl der echte als auch der freie Dienstvertrag haben eines gemeinsam:
Der freie Dienstvertrag ist – im Gegensatz zum Werkvertrag – auf eine dauerhafte Tätigkeit („Wirken“) gerichtet, nicht auf ein konkretes Ergebnis („Werk“).
Ebenso wie der echte Dienstvertrag begründet der freie Dienstvertrag daher ein Dauerschuldverhältnis. Typische Merkmale eines freien Dienstvertrages sind:
Achtung: Besteht wirtschaftliche Abhängigkeit, kann auch ein:e freie:r Dienstnehmer:in als arbeitnehmerähnlich gelten.
Beim Werkvertrag steht ein konkretes Ergebnis(Werk) im Mittelpunkt. Der/die Werkunternehmer:in schuldet nicht nur eine Tätigkeit, sondern einen Erfolg – meist auf eigene Rechnung und mit eigenen Betriebsmitteln.
Der/die Werkunternehmer:in handelt dabei weitgehend selbstbestimmt und übernimmt sowohl die Haftung für etwaige Mängel als auch das Risiko, dass das Werk misslingen könnte.
Auch hier gilt: Besteht wirtschaftliche Unselbstständigkeit, kann es sich trotz Werkvertrags um eine arbeitnehmerähnliche Person handeln.
Arbeitnehmerähnliche Personen bewegen sich in einem rechtlichen Spannungsfeld zwischen formaler Selbstständigkeit und faktischer Unselbständigkeit bzw Abhängigkeit:
Sie stehen in keinem echten Arbeitsverhältnis, übernehmen aber dennoch regelmäßig Leistungen für eine:n Auftraggeber:in, von dem/der sie ua wirtschaftlich abhängig sind.
In Österreich hat der Gesetzgeber auf diese Konstellation reagiert und den Anwendungsbereich bestimmter arbeitsrechtlicher Gesetze um arbeitnehmerähnliche Personen erweitert.
Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit: Das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz („ASGG“) gewährt arbeitnehmerähnlichen Personen etwa den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit (siehe § 51 Abs 3 Z 2 ASGG).
Haftungsrecht: Entlastung durch das DHG: Auch im Haftungsrecht sind arbeitnehmerähnliche Personen nicht völlig auf sich alleingestellt. Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) räumt ihnen im Fall von Schadenersatzansprüchen – wie echten Arbeitnehmer:innen – Erleichterungen ein. So kann ein dem/der Auftraggeber:in bei der Dienstleistung zugefügter Schadengemäßigt oder auch ganz erlassen werden (siehe § 1 Abs 1 DNHG).
Gleichbehandlungsrecht und Diskriminierungsschutz: Darüber hinaus sind sie durch das Gleichbehandlungsrecht vor Diskriminierung in der Arbeitswelt geschützt. Das umfasst unter anderem den Schutz vor Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung (siehe § 1 Abs 3 Z 2 GlbG oder § 7a Abs 2 Z4 BEinstG).
Arbeitskräfteüberlassung: Einbeziehung ins AÜG Arbeitnehmerähnliche Personen werden zudem in den Geltungsbereich des Arbeitskräfteüberlassungsgesetz („AÜG“) einbezogen (siehe § 3 Abs 4 AÜG).
Im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm wird erstmals darüber diskutiert, ob Kollektivverträge auf arbeitnehmerähnliche Personen ausgeweitet werden sollen. Ziel ist es, den sozialen Schutz dieser wirtschaftlich abhängigen Gruppe zu stärken – konkrete Umsetzungsschritte stehen jedoch noch aus.
Arbeitnehmerähnliche Personen stehen weder auf der Seite der klassischen Selbstständigen noch der echten Arbeitnehmer:innen. Ihre formale Unabhängigkeit wird durch eine oft erhebliche wirtschaftliche Abhängigkeit relativiert.
Für Unternehmen und Auftraggeber:innen bedeutet das: Präzise Vertragsgestaltung, klare Abgrenzung und fundierte Kenntnis der Rechtslage sind unerlässlich – nicht nur zur Risikominimierung, sondern auch zur Schaffung fairer Arbeitsbedingungen.
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